Hallo zusammen
Ich bin erst relativ spät ins Heim gekommen. Nicht, dass ich nicht früher gewollt hätte. Aber meine Familie weigerte sich lange, bis schliesslich der Kanton einschreiten musste. Mit 17 Jahren durfte ich dann endlich ausziehen. Im Heim hatte ich eine sehr schöne Zeit. Ich hatte endlich einen Ort, an dem ich mich sicher und wohl fühlte. Wo ich das Gefühl hatte, gerne nach Hause zu kommen und man sich auch freute, mich zu sehen.
Wie die meisten, bekam ich aber nach ein paar Jahren im Heim eine grosse Krise. Ich hatte keine Lust mehr auf die Regeln, die Einschränkungen, das Badezimmer zu teilen und dass ständig jemand mein Zeug aus dem Kühlschrank klaute. So beschloss ich, mit 20 Jahren in eine eigene Wohnung zu ziehen. Eine WG kam für mich damals nicht in Frage, da ich mir endlich mehr Privatsphäre wünschte. Die Wohnungssuche war intensiv und anstrengend, aber schliesslich bekam ich meine Traumwohnung. Ich hatte das Glück, dass mich die Sozis beim Bewerbung schreiben unterstützten. Je mehr Schleimen, desto besser. Ist zwar unangenehm, funktioniert aber.
Für die Einrichtung gab es ein festgelegtes Budget und da ich viel Zeit zum Planen hatte, ging das gut auf und es passte alles hinein, was ich mir wünschte. Als es schliesslich ans Umziehen ging, war ich dankbar, dass mein Freund mir half, all die Möbel aufzubauen. Meine handwerklichen Fähigkeiten sind leider sehr beschränkt.
Anfangs war es speziell, so ganz alleine zu wohnen. Ich war sehr froh um meinen Freund, der mich viel besucht hat. Ich genoss es aber auch, endlich alleine über mein Leben bestimmen zu können. Ich hatte das Glück, dass mich meine Eltern finanziell immer unterstützt haben. Trotzdem war es zu Beginn schwierig, alles unter einen Hut zu bekommen. Ich hatte zwar mehr Geld zur Verfügung, musste aber auch viel mehr damit bezahlen und besser planen. Ich habe mir zwar ein Budget gemacht, dieses aber (vor allem fürs Shoppen) regelmässig überzogen und so auch mein Erspartes aufgebraucht. Das ärgert mich im Nachhinein ziemlich. Inzwischen klappt das allerdings viel besser, da ich irgendwann begonnen habe, am Ende des Monats zu schauen, für was ich mein Geld ausgegeben habe. Das ist zwar manchmal etwas erschreckend, aber es half mir, am richtigen Ort zu sparen.
Schwierig war es auch, pünktlich ins Bett zu kommen. Ich habe manchmal bis am Nachmittag geschlafen, da niemand mehr da war, um das zu kontrollieren. Da ich meine Schule von zu Hause aus machte, fiel es niemandem auf. An dem Punkt arbeite ich heute noch, manchmal klappt es besser und mal schlechter.
Seit einigen Monaten wohnte ich nicht mehr alleine, sondern in einer WG mit meinen besten Freunden. Die drei Jahre alleine waren eine sehr schöne Zeit, trotzdem bin ich nun froh, wieder mehr Gesellschaft zu haben. Ich fühle mich dort sehr wohl und aufgehoben. Meine Mitbewohner motivieren mich, pünktlich aufzustehen und wir haben viele schönen Momente zusammen.
Inzwischen konnte ich meinen Traum verwirklichen und studiere seit 2 Jahren Medizin und arbeite nebenbei im Spital. Ich bin froh, nun auf eigenen Beinen zu stehen und mein Leben im Griff zu haben. Auch mit meinen Eltern habe ich inzwischen ein schönes Verhältnis.
Ich finde es wichtig, dass man sich ein Zuhause sucht, in dem man sich wohl fühlt. Egal ob das nun eine eigene Wohnung oder eine WG ist. Ausserdem kann man mit tollen Möbeln fast jeden Ort gemütlich machen. Mir hat es sehr geholfen, mir ein Budget zu machen und zu schauen, wo ich mein Geld ausgebe. Auch wenn es sehr verlockend ist, die ganze Nacht zu netflixen, muss man sich irgendwie motivieren, morgens aufzustehen.
Ich war sehr froh, hatte ich tolle Freunde und eine Familie, die mir zur Seite gestanden sind und mich unterstützt haben. Sie sind immer für mich da und durch sie fühlte ich mich nie alleine. Ohne sie hätte ich es wahrscheinlich nicht geschafft.
Es ist wichtig, sich Menschen zu suchen, die einem bei diesem Weg unterstützen, egal ob das nun Freunde sind, Familie oder eine Organisation, welche einem begleitet.